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Sozialpsychiatrie für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung

22. Juli 2024

State of the art – Forderung nach einem Kompetenzzentrum für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und Austismusspektrumstörungen 

Studien belegen

Die Möglichkeit und der Zugang zu Bildung, Ausbildung, Arbeitsplatz mit gesichertem Einkommen, individueller Freizeitgestaltung, uneingeschränkter Mobilität oder selbstbestimmtem Wohnen beeinflussen wesentlich die Lebensqualität und die Gesundheit von Menschen. Soziale Kontakte pflegen, sich selbstwirksam erleben können oder ein erfülltes Sinnerleben sind Aspekte die Menschen mit Behinderungen sehr reduziert oder unzufriedenstellend erfahren.

Studien und Erfahrungsberichte weisen darauf hin, dass Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und Menschen mit Autismus ein drei bis vier Mal höheres Risiko für die Entwicklung einer psychischen Erkrankung haben und häufiger Leistungen des Gesundheitssystems, auch in Bezug auf somatische Erkrankungen, in Anspruch nehmen.

 

Grenzen im Gesundheitssystem

Bei der Versorgung dieser Personengruppen stößt das allgemeine Gesundheitssystem deutlich an Grenzen.
Weil diese Personen vielfach geringere Kompetenzen und Fähigkeiten haben (Orientierung, Kommunikation, Körperwahrnehmung, Planung & Ausführung komplexer Handlungen, …), Mehrfachbehinderungen haben (Epilepsie, Spastik, Einschränkungen bei Motorik, Sinne, Skelett, Schlucken, …), besondere Eigenheiten und Bedürfnisse aufweisen (Verängstigung, reduziertes Schmerzempfinden, länger Zeit brauchen, …) und untypisch Erkrankungen präsentieren (Änderungen im Verhalten, der Aktivität und Gefühlsäußerungen).
Das erschwert mögliche Ursachen von Erkrankungen zu erkennen, eindeutige Diagnosen zu stellen und entsprechende Behandlung einzuleiten.
Es gibt wenige Personen im Gesundheitssystem mit Wissen und Erfahrung im Umgang mit diesen Personengruppen und deren komplexen Herausforderungen. Kommunikationsprobleme, Überforderung und Zeitdruck bergen die Gefahr des diagnostic overshadowing (psychischer Gesundheitszustand wird Behinderung zugeschrieben) unzureichender Diagnostik und unzufriedenstellender Behandlung.
Zur Abklärung weiterer Schritte muss vielfach an weiterführende Behandlungsstellen verwiesen werden. Oftmals mit dem Effekt aufwendiger und herausfordernder Wege für die Betroffenen und einer zeitlichen Verzögerung der Behandlung. Notwendige zeitnahe und fachgerechte Behandlung ist häufig nicht gewährleistet.

UN Behindertenrechtskonvention

Mit der UN Behindertenrechtskonvention hat sich Österreich verpflichtet … das Recht von Menschen mit Behinderungen anzuerkennen das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu genießen.
Und weiter …
… bieten die Vertragsstaaten die Gesundheitsleistungen an, die von Menschen mit Behinderungen speziell wegen ihrer Behinderungen benötigt werden, soweit angebracht, einschließlich Früherkennung und Frühintervention, sowie Leistungen, durch die, auch bei Kindern und älteren Menschen, weitere Behinderungen möglichst gering gehalten oder vermieden werden sollen;

Unabhängig der rechtlichen Verpflichtung zeigt sich in der Praxis, dass psychische Krisen von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung, mit Verhaltensauffälligkeiten/Impulsivität häufig im allgemeinpsychiatrischen Setting enden, wo sie keine angepasste Behandlung erfahren.
Fehlende spezifische Kenntnisse in der Diagnostik und Behandlung, mangelnde Barrierefreiheit (auch in der Kommunikation), fehlende zeitliche und personelle Ressourcen wie sozialarbeiterische und pädagogische Expertise enden häufig in sedierenden Maßnahmen, stationären Kurzzeitaufenthalten mit Drehtüreffekt, Zwangsmaßnahmen und einer Verschlechterung der Gesamtproblematik ohne Ursachenklärung.
Mit Leid und Enttäuschung der betroffenen Menschen und deren sozialem Umfeld – Angehörige und Betreuer*innen – sowie Frustration auf behandelnder Seite.
Eine integrierte Gesundheitsversorgung von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und Autismus im allgemeinen Gesundheitssystem kann derzeit nicht zufriedenstellend sicher gestellt werden.

Forderung nach Kompetenzzentrum

Vorhandene Spezialangebote in Wien wie die Ambulanz SOMBA (Sozialpsychiatrie für Menschen mit Behinderungen und Autismuszentrum) oder die stationäre Sozialpsychiatrie (Klinik Hietzing) geraten von ihren Ressourcen her an Unterstützungsgrenzen.
Im PPV (psychiatrischer und psychosomatischer Versorgungsplan 2030) vorgesehen war die Errichtung eines Kompetenzzentrums und den Ausbau spezifischer Angebote wie Liaisondienst oder Home Treatment mit interdisziplinären Teams. Diese Maßnahmen wurden bis heute nur rudimentär umgesetzt und basieren vielfach auf persönlichen Initiativen.
Die IVS Wien spricht sich für ein strukturell verankertes, multiprofessionell besetztes und mit ausreichend Ressourcen ausgestattetes Kompetenzzentrum zur Gesundheitsversorgung von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und Menschen mit Autismusspektrumstörungen aus. Ein Zentrum in dem sowohl somatische als auch psychiatrische Diagnostik möglich ist und zeitnah eine entsprechende Behandlung, unter Einbindung des betreuenden Umfeldes der betroffenen Person, einsetzen kann.

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